Schlaflexikon

Parasomnie

Parasomnie

Futterst du manchmal nachts den Kühlschrank leer oder beschimpfst deinen Liebling neben dir im Bett – und weißt davon am nächsten Tag nichts mehr? Dann könnte eine Parasomnie schuld daran sein. Parasomnien sind unerwünschte Verhaltensweisen im Schlaf oder beim Übergang.

Frau leidet unter einer Parasomnie und drückt sich ein Kissen ins Gesicht.
Manchmal lässt uns die Parasomnie Dinge tun, die uns ganz schön unangenehm sind. Bild: iStock/Kanawa_Studio

Die meisten Parasomnien machen den Betroffenen schwer zu schaffen und so manche Parasomnie, wie beispielsweise die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, kann auf das Risiko einer zukünftigen schweren Erkrankung hinweisen. So oder so handelt es sich bei einer Parasomnie immer um Verhaltensweisen im Schlaf, wie Zähneknirschen, im Schlaf reden oder Schlafwandeln.

Mitunter begehen Menschen sogar Verbrechen, während sie schlafen. Selbst mit dem Resultat ihres Handelns konfrontiert, können sie sich an nichts erinnern. Die meisten Fälle von Parasomnie fallen allerdings deutlich harmloser aus. Schwache Ausprägungen werden unter Umständen gar nicht bemerkt. Andere wiederum münden zwar nicht in einer Gewalttat, müssen aber dennoch unbedingt behandelt werden.

Was ist eine Parasomnie?

„Als Parasomnien werden komplexe Verhaltensauffälligkeiten, Bewegungen, Emotionen, Wahrnehmungen oder auch Aktivierungen des vegetativen Nervensystems bezeichnet, die im Schlaf-Wach-Übergang oder während des Tiefschlafs auftreten.“ So definiert die Deutsche Hirnstiftung diese Art von Schlafstörung.

Dabei ist Schlafstörung ein verwirrender Begriff, da mit ihm meist Probleme beim Ein- oder Durchschlafen beschrieben werden. Bei einer Parasomnie führen wir im Tiefschlaf oder Halbschlaf Handlungen aus, die wir weder planen noch wollen und an die wir uns nach dem Aufwachen auch nicht mehr erinnern. Mit Schlafstörungen im herkömmlichen Sinne hat das nichts zu tun. Da es in diesem Kontext allerdings passt, werden wir für die verschiedenen Parasomnien hier trotzdem Schlafstörungen nutzen.

Zwei Arten von Parasomnien

Parasomnien können im Schlaf und im Schlaf-Wach-Übergang auftreten. Man unterscheidet zwischen Störungen während des Traumschlafs (REM-Schlaf-Parasomnie) und Störungen während anderer Schlafphasen (NREM-Schlaf-Parasomnie). REM steht für Rapid Eye Movement, schnelle Augenbewegungen wie sie für den Traumschlaf typisch sind. NREM bedeutet Non-REM und bezieht sich auf Leichtschlaf und Tiefschlaf.

Die häufigsten Parasomnien

Insgesamt betrachtet treten Parasomnien eher selten auf. Während bis zu 20 Prozent der Kinder in ihrer Entwicklung eine oder mehrere NREM-Parasomnien erfahren, bewegt sich der Anteil der Betroffenen bei den Erwachsenen im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Leidet jemand jedoch an einer Parasomnie, handelt es sich überwiegend um folgende:

Albträume

Das kennen wir vermutlich alle: Hin und wieder träumt man einfach schlecht. Wenn du allerdings häufig Albträume hast und dich deshalb vor jedem Zubettgehen fürchtest, liegt eine Schlafstörung vor. Gegen Albträume lässt sich jedoch einiges unternehmen. Beispielsweise kannst du zusammen mit deinem Arzt oder deiner Ärztin ein Traumtagebuch führen und die Albträume gezielt angehen. Mehr über dieses Thema findest du in unserem Artikel über Albträume.

Wenn du ständig schlechte Träume hast, wird dich vielleicht auch folgender Artikel interessieren: „Ständig Albträume: Diese Ursachen stecken dahinter“.

Somnambulismus

Die umgangssprachliche Beschreibung für Somnambulismus ist Schlafwandeln. „Beim Schlafwandeln handelt es sich um eine inkomplette Weckreaktion aus dem Tiefschlaf, weshalb es auch als Aufwachstörung bezeichnet wird“, erklärt Diplom-Psychologe und Somnologe Hans-Günter Weeß. Somnambulismus geschieht überwiegend eine bis anderthalb Stunden nach dem Einschlafen, am Ende der ersten Tiefschlafphase.

Schlafwandeln tritt vor allem während der Kindheit auf und verschwindet in den meisten Fällen mit der Pubertät wieder. Nur rund ein Prozent der Erwachsenen leidet unter Somnambulismus. Die Ursachen für diese Erkrankung sind nicht restlos geklärt, wohl aber sind einige Risikofaktoren bekannt wie beispielsweise Schlafmangel, Stress, Alkoholkonsum und Fieber. Unser Artikel über Schlafwandeln bei Erwachsenen nimmt sich dieser Störung genauer an.

Pavor nocturnus (Nachtschreck)

Wörtlich aus dem Lateinischen übersetzt heißt Pavor nocturnus „Nachtangst“. Die gängige Bezeichnung „Nachtschreck“ trifft es aber wesentlich besser, denn bei einem Pavor nocturnus schreckst du mitten in der Nacht ohne ersichtlichen Grund aus dem Schlaf.

„Beim Pavor nocturnus handelt es sich wie beim Schlafwandeln um eine Aufwachstörung aus dem ersten Tiefschlaf, die üblicherweise nach sechzig bis neunzig Minuten auftritt“, so Hans-Günter Weeß. „Und im Gegensatz zum Schlafwandler verlässt der Schläfer weder das Bett noch nimmt er andere zielgerichtete Handlungen vor. Er schläft und schreit.“

Dies genügt natürlich, um die anderen Haushaltsmitglieder zu verschrecken. Für den nächtlichen Schreihals selbst sind die Anfälle jedoch unschädlich. Auch bei dieser Störung sind Kinder wesentlich stärker betroffen als Erwachsene. Mehr dazu liest du in unserem Artikel: „Nachtschreck: 4 Anzeichen eines Pavor Nocturnus

REM-Schlaf-Verhaltensstörung

Wie der Name sagt, tritt sie in der REM-Phase auf. Gesunde Menschen liegen währenddessen still da, weil ihre Bewegungsmuskulatur lahmgelegt ist. Sonst würden sie alle Handlungen in ihren Träumen in Wirklichkeit ausführen und dadurch eventuell sich oder den Bettpartner verletzen.

Patienten mit einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung (auch Schenck-Syndrom genannt) fehlt diese Sicherung. Sie führen ihre Träume aus. Das heißt, sie schlagen zum Beispiel wirklich um sich, wenn sie von einem Faustkampf träumen. „Durch die Aufhebung des schützenden Mechanismus, der uns vor Bewegungen im Schlaf bewahrt, sind Selbst- oder Fremdverletzungen oft die logische Folge“, warnt Hans-Günter Weeß.

Nachgewiesen ist übrigens, dass die REM-Schlaf-Verhaltensstörung im weiteren Verlauf mit 80 prozentiger Wahrscheinlichkeit zur Parkinson-Krankheit führt. Unser Artikel über die REM-Schlaf-Verhaltensstörung geht dieser Erkrankung auf den Grund.

Schlafparalyse (Schlaflähmung)

Bei einer Schlafparalyse passiert genau das Gegenteil: Die Betroffenen sind bewegungslos wie im Traumschlaf. Das Problem ist nur, sie träumen nicht mehr, sondern sind wach. Viele, die das Phänomen erstmals erleben, entwickeln Panik. Denn sie können in dieser Situation weder sprechen noch sich bewegen.

Eine Schlaflähmung erleben Betroffene zwischen Wachen und Schlafen und zwar überwiegend beim Aufwachen. Es handelt sich dabei also im eine Einschlaf- und Aufwachstörung. Der Körper verharrt noch in der unbeweglichen Traumphase, während der Verstand schon arbeitet. Das kann sehr beängstigend wirken, ist bei ansonsten gesunden Menschen aber unbedenklich. Mehr dazu im Artikel über Schlafparalyse.

Bruxismus

Beim Zähneknirschen (Bruxismus) beißen die Betroffenen im Schlaf so fest mit den Zähnen aufeinander, dass Schmerzen im Kiefer, den Zähnen und generelle Kopfschmerzen auftreten können. Teilweise sind die Kräfte im Schlaf so stark, dass die Zähne Risse bekommen oder gar durchbrechen. Gegen Bruxismus können Beißschienen helfen. Mehr über das nächtliche Knirschen findest du in unserem Artikel über Bruxismus.

Somniloquie

Bei der Somniloquie reden Betroffene im Schlaf. Von unverständlichem Brabbeln bis hin zu einer deutlichen Aussprache mit ausformulierten Sätzen wird alles zu einer Somniloquie gezählt, was eine schlafende Person von sich gibt. Im Kindesalter ist das Reden im Schlaf weit verbreitet, legt sich aber bis zur Pubertät. Die Somniloquoe kann in der REM-Phase aber auch im NREM auftreten.

Wer hin und wieder im Schlaf spricht, leidet noch nicht unter einer Somniloquie, sondern träumt wahrscheinlich nur besonders intensiv. Wer allerdings regelmäßig im Schlaf spricht, sollte von einem Arzt abklären lassen, ob es sich dabei nicht um eine Parasomnie handelt. Unser Artikel über die Somniloquie erklärt sämtliche Ursachen und erklärt, was man dagegen tun kann. Lachen im Schlaf wird dagegen nicht zur Somniloquie gezählt.

Einschlafmyoklonien

Bei Einschlafmyoklonien handelt es sich um Zuckungen beim Einschlafen. Wie so oft gilt: Treten Einschlafzuckungen nur hin und wieder einmal auf, ist das Phänomen unbedenklich. Meist handelt es sich bei Myoklonien um ein Missverständnis zwischen Muskeln und Gehirn. Unsere Muskeln schlafen schon, unser Gehirn ist aber noch wach und will Bewegungen ausführen. Das gilt auch für das Gefühl des Fallens beim Einschlafen. Wenn du mehr über Einschlafzuckungen wissen willst,

Wie es der Name schon vermuten lässt, treten Myoklonien während der Einschlafphase und Leichtschlafphase auf und nicht während der Traumphase. Daher handelt es sich dabei um eine NREM-Parasomnie. Wenn du mehr über Einschlafzuckungen lesen möchtest, dann besuche unseren Artikel zu Myoklonien. Dort besprechen wir auch ernsthaftere Ursachen für diese Parasomnie.

Diagnose und Behandlung

Am Anfang jeder Diagnose steht eine Anamnese. Dabei erfragt der behandelnde Arzt die Vorgeschichte zu den Beschwerden. Je nach Art der Erkrankung werden Fachärzte hinzugezogen. Mit körperlichen, insbesondere neurologischen Untersuchungen werden die Diagnosen erstellt und weitere Krankheiten ausgeschlossen oder bestätigt.    

Manche Parasomnien lassen sich mit einer Verhaltensänderung in den Griff bekommen: zum Beispiel Verzicht auf Alkohol und Vermeidung von Stress bei Schlaf-Wach-Störungen oder Absperren von Türen und Abpolsterungen beim Schlafwandeln. In schwereren Fällen ist eine medikamentöse Behandlung nötig, wie beispielsweise mit dem krampflösenden Wirkstoff Clonazepam oder dem Schlafhormon Melatonin (bei REM-Schlaf-Verhaltensstörungen).

Warum haben Kinder so häufig Parasomnien?

Kinder leiden sehr häufig unter den oben genannten Verhaltensstörungen im Schlaf. Sei es Schlafwandeln, Zähneknirschen, Reden im Schlaf oder den bei Eltern berühmt berüchtigten Nachtschreck. Die Gründe liegen beim kindlichen Gehirn selbst. Denn das Gehirn von Kindern ist noch nicht vollständig entwickelt, wodurch viele Verhaltensweisen auch im Schlaf stattfinden.

Bedenklich sind Parasomnien im Kindesalter meist nicht. Erst wenn die Schlafstörungen mehrmals die Woche auftreten sollten, ist ein Besuch beim Kinderarzt oder der Kinderärztin zu empfehlen. Meist verschwinden die nächtlichen Verhaltensweisen in der Pubertät.

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Diplom-Psychologe Dr. Hans-Günter Weeß ist als Somnologe im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), leitet die Akademie für Schlafmedizin (AfS) sowie das Interdisziplinäre Schlafzentrum des Pfalzklinikums, doziert an der Hochschule und ist Autor zahlreicher Fachbücher, u. a. von „Schlaf wirkt Wunder“.

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Quellen:

Deutsche Hirnstiftung: Parasomnien auf einen Blick.
Ärzteblatt: Parasomnien im Erwachsenenalter.
Neurologen und Psychiater im Netz: Formen von Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen.
MSD Manual: Myoklonie.