Schlaflexikon

Melatonin

Melatonin

Es wird gemeinhin als Schlafhormon bezeichnet: Melatonin wird in der Zirbeldrüse unseres Gehirns hergestellt und steuert unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Was passiert, wenn Melatonin-Produktion nicht mehr funktioniert? Können Melatonin-Produkte helfen? Wir gehen dem Hormon auf den Grund.

Melatonin: Junge Frau liegt im Bett und gähnt.
Warum ist Melatonin so wichtig für unseren Schlaf? Wir klären auf. Bild: iStock/Nattakorn Maneerat

Unsere Schlafqualität wird von vielen Dingen beeinflusst. Von der richtigen Schlaftemperatur, von der Art des Essens, welches wir vor dem Zubettgehen zu uns nehmen und auch von unserem psychischen Befinden. Melatonin spielt bei all diesen Einflüssen eine Rolle. Schafft es unser Körper nicht mehr genügend des Schlafhormons in der Nacht zu produzieren, können auch die achtsamsten Schlafroutinen nicht mehr helfen.

Denn der Botenstoff ist DER Motor unseres Schlafs indem es unseren Schlaf-Wach-Rhythmus (Zirkadianer Rhythmus) steuert. Ohne diese innere Uhr kommt unser ganzes Leben durcheinander. Doch wie entsteht das Schlafhormon? Wie kann es passieren, dass unser Schlaf-Wach-Rhythmus gestört wird? Und sind Melatonin-Produkte eine sinnvolle Hilfe für einen erholsamen Schlaf? Diese und mehr Fragen klären wir in diesem Artikel.

Was ist Melatonin?

Melatonin wird laienhaft auch Schlafhormon genannt, eben weil es das primäre Hormon zur Steuerung unseres Schlafs ist. Unser Gehirn produziert es nachts in der etwa erbsengroßen Zirbeldrüse. Für seine Produktion wird auch Serotonin benötigt. Serotonin wird häufig auch als „Wohlfühlhormon“ bezeichnet. Klar, dass eine entspannte Stimmung vor dem Schlafengehen guten Schlaf fördert.

Unser Körper beginnt mit der Melatoninbildung nachts, bei Dunkelheit. Die Wirkung: Wir werden müde und möchten Schlafen. „Das Hormon stellt die innere Zentraluhr auf Nachtbetrieb ein. Auch wenn Melatonin kein Schlafmittel im eigentlichen Sinne ist, so fördert es doch das Ein- bzw. Durchschlafen“, so Mediziner und Chronobiologe Dr. Jan-Dirk Fauteck im Interview mit dem Netzwerk migros iMpuls.

Licht und Helligkeit signalisieren unserem Körper dagegen, die Produktion des Hormons einzustellen. Deshalb kann auch das Licht von Laptop und Smartphone unseren Schlaf stören. Und ja, auch das Licht vom Nachtmodus ist schädlich.

Wodurch kann der Melatoninspiegel gestört werden?

Es gibt viele Ursachen, warum wir schlecht schlafen. Stress ist dabei der größte Schlafräuber. Rund 50 Prozent aller Berufstätigen bringt er nachts gelegentlich oder regelmäßig um den Schlaf. Insgesamt leiden rund 80 Prozent aller Berufstätigen unter Schlafstörungen. Ein Zehntel leidet sogar unter einer schweren Schlafstörung, einer sogenannten Insomnie. Bei einer Schlafstörung kommt es meist zu einer Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, wodurch die Schlafqualität erheblich leidet.

Ursachen für die Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus

  • Eine schlechte Schlafhygiene: Mit Schlafhygiene sind gewisse Vorgehensweisen gemeint, die den Schlaf unterstützen und die Schlafqualität verbessern. Ein ordentliches und sauberes Schlafzimmer gehört genauso zu einer guten Schlafhygiene wie eine leichte Ernährung abends, regelmäßige Zubettgehzeiten oder Vorhänge, die für genügend Dunkelheit sorgen. Noch mehr Punkte und weitere Infos findest du in unserem Artikel über Schlafhygiene.
  • Verschiedenste Erkrankungen: Natürlich können die verschiedensten Krankheiten für eine Störung unseres Schlafs sorgen, so dass du nachts wachliegst. Neben verschiedenen somnologischen Erkrankungen wie Beispielsweise das Restless Legs Syndrom, die Schlafapnoe, die Hypersomnie, die Narkolepsie, verschiedene Parasomnien und die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, können auch Krebserkrankungen, Nieren- und Lebererkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen für einen nicht funktionierenden Schlaf-Wach-Rhythmus sein. Die Liste ließe sich noch erweitern.
  • Schichtarbeit: Vor allem Menschen in Schichtarbeit leiden sehr häufig unter einer Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Für dieses Leiden gibt es sogar einen Fachbegriff: Das Schichtarbeitersyndrom. 95 Prozent aller Schichtarbeitenden leiden früher oder später einmal oder mehrmals unter Schlafstörungen. Unser Artikel über das Schichtarbeitersyndrom beleuchtet die Erkrankung genau.
  • Jetlag: Die wohl häufigste Form der Schlaf-Wach-Störung. Tritt vor allem auf, wenn du mehr als eine Zeitzone überfliegst. Dabei wirkt sich Jetlag stärker aus, wenn du mit der Erddrehung und gegen den Sonnenaufgang (Osten) fliegst. Mehr dazu findest du in unserem Artikel: „Jetlag: Das kannst du gegen die Müdigkeit tun“.

Ursachen für die Störung des Melatoninspiegels

Manchmal ist unser Melatoninspiegel niedrig und wir schlafen in der Nacht schlecht, ohne dass unser Schlaf-Wach-Rhythmus gestört ist. Warum unser Körper dann nur noch sehr wenig oder gar kein Melatonin produziert, kann ganz unterschiedliche Ursachen haben:

  • Ein niedriger Melatoninspiegel durch Hormonveränderungen
    Besonders bekannt sind die Wechseljahre bei Frauen. Hierbei verändert sich der gesamte Hormonhaushalt der Frau so stark, dass es auch zu einem Mangel des Schlafhormons kommen kann. Auch bei Männern verändert sich der Hormonhaushalt im Alter, weswegen es auch bei ihnen zu einem niedrigen Melatoninspiegel in der Nacht kommen kann.
  • Ein Mangel durch falsche Ernährung
    Wer regelmäßig übermäßig viel Alkohol trinkt oder / und sich ungesund ernährt, kann dauerhaft seinen Hormonhaushalt stören. Mit einer gesunden Ernährung kann unser Körper auch unsere Hormonausschüttung besser regulieren. Übrigens gibt es einige Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel in denen das Schlafhormon enthalten ist.
  • Melatoninmangel durch Stress
    So wie Stress dafür sorgen kann, dass wir unter Schlafstörungen leiden und uns nachts herumwälzen, so kann er auch unseren Melatoninspiegel in der Nacht negativ beeinflussen. Vor allem, wenn wir mit unserem Stress ins Bett gehen, kann dies dafür sorgen, dass der Botenstoff nicht ausgeschüttet wird.
  • Melatoninmangel im Alter
    Ältere Menschen leiden sehr häufig an einem Mangel an Melatonin in der Nacht, da der Körper in fortgeschrittenem Alter nachts immer weniger des Hormons produziert. Hier können tatsächlich rezeptpflichtige Medikamente helfen. Rezeptfreie „Nahrungsergänzungsmittel“, die das Hormon enthalten, zeigen dagegen keine Wirkung.

Ein niedriger Spiegel sorgt für Schlafprobleme. Kann man diesen Spiegel vielleicht mit künstlichem Melatonin erhöhen?

Künstliches Melatonin als Schlafmittel?

Halten die Schlafstörungen über längere Zeit an, wird häufig zu Hilfsmitteln gegriffen. Neben frei erhältlichen pflanzlichen Schlafmitteln wie Baldrian oder Lavendel, zählen dazu auch immer häufiger Mittel, die das Schlafhormon beinhalten. Zu kaufen gibt es Schlafmittel mit dem Botenstoff beispielsweise in Form von Tabletten, Melatonin-Spray oder Tee.

Während diese Mittel in den USA seit jeher frei verkäuflich sind, zählte das Hormon in Deutschland bis vor einiger Zeit tatsächlich noch zu den verschreibungspflichtigen Schlafmitteln. Hauptsächlich für ältere Patientinnen und Patienten im Alter ab 55 Jahren. Denn je älter du wirst, desto geringer ist auch die Menge des Hormons, das nachts in deiner Zirbeldrüse gebildet wird. Aus diesem Grund leiden besonders Ältere vermehrt unter Schlaflosigkeit. Mittlerweile kannst du verschiedenste Präparate in Apotheken und Drogeriemärkten kaufen.

Trotzdem solltest du Aufpassen. Nicht bei jedem stellt sich eine Wirkung ein. Wir haben in unserem Artikel „Hormon-Präparate: Bei wem Melatonin nicht wirkt“ erklärt, wer von dem künstlichen Botenstoff profitiert und wer nicht.

Wie wirkt künstliches Melatonin?

Generell muss von frei erhältlichen Präparaten abgeraten werden, egal ob als Tabletten, Bonbons oder Spray. Und das aus zweierlei Gründen:

  1. Rezeptfreie Medikamente (sogenannte Nahrungsergänzungsmittel) besitzen keine Langzeitwirkung. Dagegen wirken verschreibungspflichtige Medikamente in Etappen. Die Retardformulierung in den Tabletten sorgt dafür, dass der Wirkstoff über einen längeren Zeitraum langsam abgegeben wird. So kann sich ein stabiler Wirkstoffspiegel aufbauen. Dies ist bei frei verkäuflichen Produkten nicht der Fall.
  2. Die Dosierung von rezeptfreiem Melatonin ist zu gering. In Deutschland darf die Dosis des Hormons maximal zwei Milligramm betragen. Diese Menge ist viel zu niedrig, um beim Menschen nachts einen Effekt zu erzeugen. Dies haben zahlreiche Studien gezeigt. Lasse dir bei Schlafproblemen deshalb von deinem Arzt lieber rezeptpflichtiges Präparaten verschreiben. Hier liegt die Dosis höher.

Laut Studien kann sich die Einschlafzeit durch Einnahme von rezeptpflichtigem Melatonin um fünf, maximal jedoch um 20 Minuten verkürzen.

Tatsächlich zeigen Studien, dass der künstliche Botenstoff beim Einschlafen helfen kann. Allerdings sind die Effekte gering. Je nach Studie verringert sich die Einschlafzeit um wenige Minuten. Ein Review aus 2016 kommt auf fünf Minuten weniger, andere Übersichtsarbeiten liegen bei etwa zehn Minuten.

Melatonin als Blutdrucksenker?

Eine kleine Studie aus den Niederlanden legt nahe, dass Melatonin auch zur Senkung des Blutdrucks eingesetzt werden kann. Die Wissenschaftler des Niederländischen Institut für Hirnforschung hatten 16 Personen mit dauerhaft erhöhtem Blutdruck über drei Wochen täglich eine Dosis von 2,5 Milligramm Melatonin vor dem Schlafengehen verabreicht.

Im Ergebnis sank der Blutdruck in der Nacht um bis zu sechs mmHg (Millimeter-Quecksilbersäule), was teilweise sogar zu fast normalem Blutdruck führte und die Schlafqualität verbesserte. Der genaue Grund ist bisher noch unklar, die Forscher nehmen aber an, dass der Effekt auf eine Normalisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus‘ zurückzuführen ist. Bestätigende Studien stehen bislang aber noch aus.

Gibt es Nebenwirkungen?

Bei der Einnahme des Hormons sind keine gravierenden Nebenwirkungen bekannt. Jedoch kann es gelegentlich zu Übelkeit, Kopfschmerzen, Nervosität und Magenbeschwerden kommen. Medikamententester von Stiftung Warentest berichteten außerdem über Mundtrockenheit, Sodbrennen und Schweißausbrüche als mögliche Nebenwirkungen. Mehr dazu findest du im nebenstehenden Artikel.

Nimmst du Anti-Rheuma-Mittel oder Blutdrucksenker, können Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen nicht ausgeschlossen werden. Sei also vorsichtig und besprich die Einnahme vorher unbedingt mit deinem Arzt oder deiner Ärztin. Auch wenn du schwanger bist oder stillst, solltest du von solchen Medikamenten besser absehen, da Nebenwirkungen auftreten können. Eine dauerhafte Einnahme des Hormons gilt immer noch als umstritten. Noch ist nicht ausreichend erforscht, welche Auswirkungen es langfristig auf unseren Körper hat – immerhin handelt es sich bei Melatonin um ein körpereigenes Hormon.

Melatonin in Lebensmitteln

Tatsächlich musst du nicht gleich zu Melatonin-Präparaten greifen. Es gibt auch natürliche Quellen, die ganz ohne Nebenwirkungen auskommen. In vielen Lebensmitteln ist nämlich Tryptophan enthalten. Und dieser Stoff wird in unserem Körper zum Schlafhormon umgewandelt. Manche Lebensmittel enthalten aber auch richtiges Melatonin. Diese Lebensmittel sind unter anderem:

In den meisten Lebensmitteln ist allerdings sehr wenige Mengen des Hormons. Meistens muss man sehr viel der Lebensmittel zu sich nehmen, um eine Wirkung auszulösen. Cranberrys bilden eine Ausnahme. Gerade die getrockneten Beeren enthalten sehr viel des Botenstoffs, weshalb eine Wirkung auftreten kann. Lebensmittel mit Tryptophan sind:

Übrigens: Warme Milch mit Honig hilft aus ganz anderen Gründen beim Einschlafen. Das erklären wir in unserem Artikel: „Hilft warme Milch mit Honig wirklich beim Einschlafen?

Präparate werden nicht von Krankenkassen übernommen

Am 13. Juni 2022 trat der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in Kraft, nachdem Präparate mit Melatonin nicht von den Krankenkassen übernommen werden müssen. Damit müssen auch rezeptpflichtige Medikamente vom Patienten selbst übernommen werden. Der Grund: Es gibt keine ausreichenden evidenzbasierten Daten, dass das Hormon oral eingenommen einen Effekt bei Schlafstörungen hat.

Ausgenommen sind die Präparate Circadin® und Slenyto®, die bereits in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen wurde.

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Quellen:

Ärzteblatt: Stress im Beruf häufigste Ursache für Schlafstörungen.
National Library of Medicine: Meta-Analysis: Melatonin for the Treatment of Primary Sleep Disorders.
Stiftung Warentest: Melatonin.
Ärztezeitung: Hormon Melatonin senkt hohen Blutdruck.