Stresshormon Cortisol: So wichtig ist es für unseren Schlaf
Cortisol hat keinen guten Ruf. Dabei ist das Stresshormon für unseren Körper immens wichtig. Für unseren Schlaf ist der Botenstoff sogar unverzichtbar. Wir haben mit Expertin und Schlafmedizinerin Dr. Kathrin Frank über das Hormon gesprochen.
Cortisol hat in unserer Gesellschaft einen denkbar schlechten Ruf, denn der Botenstoff wird auch Stresshormon genannt, weil er in anstrengenden Situationen vermehrt ausgeschüttet wird. Ganz fair ist unsere Meinung über das sogenannte Stresshormon aber nicht.
Denn Cortisol wird in unserem Körper für viel mehr Vorgänge benötigt, als rein zur Bewältigung von Stress. Es wird nicht nur ausgeschüttet, wenn wir unter Druck stehen, sondern zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten am Tag – beispielsweise am Morgen zum Aufwachen. In diesem Artikel gehen wir näher auf das Hormon ein.
Was ist Cortisol und welche Aufgaben hat es?
Bei Cortisol (auch Hydrocortison genannt) handelt es sich um einen Botenstoff, der beim Menschen in der Nebennierenrinde gebildet wird. Er lässt sich im Blut, aber auch im Urin und sogar im Speichel nachweisen. Das Hormon zählt zu den sogenannten Glucokortikoiden – eine Gruppe von Hormonen, die unseren Glukosestoffwechsel (Zuckerstoffwechsel) und damit den Blutzuckerspiegel regelt.
In erster Linie wird das Hormon in Stresssituationen ausgeschüttet. Zusammen mit Adrenalin und Noradrenalin macht es unseren Körper quasi aktionsbereit. Die Herzfrequenz beschleunigt sich, der Blutdruck steigt und der Rhythmus der Atemfrequenz erhöht sich. Auch der Fettstoffwechsel wird aktiviert. Konzentrations- und Leistungsfähigkeit erhöhen sich.
Darüber hinaus ist der Botenstoff aber auch an zahlreichen anderen Vorgängen im Körper beteiligt. Es hilft bei der Knochenbildung, wandelt Eiweiße und Fette in Glukose um und ist beim Menschen damit der natürliche Gegenspieler zu Insulin, welches den Blutzuckerspiegel senkt. Zu guter Letzt kann das Hormon die Entzündungsprozesse im Körper senken.
Welche Rolle spielt das Hormon für den Schlaf?
Für unseren Schlaf spielt das Hormon neben dem Schlafhormon Melatonin als Taktgeber unseres Schlafs eine Rolle. Denn schüttet unser Körper den Botenstoff aus, wird das für den Schlaf wichtige Schlafhormon Melatonin zurückgehalten. Ein Grund, warum Menschen, die unter Stress stehen, unter Schlafproblemen leiden. Solltest du allerdings nicht unter Stress leiden, sieht dein Cortisolspiegel in den Stunden zwischen dem Zubettgehen und dem Aufwachen folgendermaßen aus:
- Beim Zubettgehen
Im Laufe des Abends sinkt der Cortisolspiegel immer weiter. Melatonin wird ausgeschüttet, du wirst müde. Zwischen in den Stunden um Mitternacht erreicht die Cortisolkonzentration im Blut ihren Tiefpunkt. Genau zu dieser Zeit ist die Melatoninkonzentration besonders hoch. - Beim Aufwachen
Zwischen sieben Uhr und neun Uhr morgens erreicht unser Cortisolspiegel den Höhepunkt. Dann wird die Ausschüttung von Melatonin gestoppt und das Stresshormon hilft uns beim Aufwachen. Durch ihn werden wir wach und können uns optimal auf die Ereignisse des Tages vorbereiten.
Übrigens: Der hohe Cortisolwert ist der Grund, warum ein Kaffee direkt nach dem Aufstehen keine Wirkung zeigt. Das Hormon hebt die Wirkung des Koffeins auf. Warte lieber eine Stunde, bis du deinen ersten Kaffee trinkst. Dann hast du auch etwas vom Koffein. Mehr dazu findest du in unserem Artikel: „Kaffee am Morgen: Darum macht er keinen Sinn“
Welche Cortisolwerte sind normal?
Der Cortisolwert kann im Laufe des Tages stark schwanken. Natürlich kommt es auch darauf an, ob du unter Stress stehst oder nicht. Zunächst sollen hier aber die normalen Werte dargestellt werden. Da Cortisol sowohl im Blut als auch im Speichel und im Urin nachgewiesen werden kann, gelten unterschiedliche Werte. Wir nennen hier die Referenzwerte im Blut eines Erwachsenen.
Zeit | Mikrogramm (µg) pro Deziliter (dl) |
Zwischen 07:00 und 09:00 Uhr | 4,5 µg bis 22 µg/dl |
Zwischen 16:00 und 20:00 Uhr | 2,5 µg bis 12 µg/dl |
Zwischen 22:00 und 24:00 Uhr | Unter 1,8 µg/dl |
Cortisolmangel: Symptome und Ursachen
Gerade im Alter kann es passieren, dass die Nebennierenrinde nicht mehr genügend Cortisol produziert. Ein Cortisolmangel macht sich durch folgende Symptome bemerkbar:
- Niedriger Blutdruck
- Schwächegefühl und Müdigkeit
- Ungewolltes Abnehmen und Appetitlosigkeit
- Im weiteren Verlauf Übelkeit und Erbrechen
- Fahle Haut
Funktioniert die Nebennierenrinde nicht mehr richtig, spricht man von einer Nebenniereninsuffizienz – auch Addison-Krankheit genannt.
Ebenfalls können andere Erkrankungen für eine rückläufige Ausschüttung verantwortlich sein, beispielsweise das Adrenogenitales Syndrom (AGS). Hierbei werden in der Nebennierenrinde vermehrt Androgene produziert. Die Hormone sind wichtig für die Entwicklung männlicher Geschlechtsmerkmale, wobei sie auch der weibliche Körper produziert. Durch die erhöhte Ausschüttung von Androgenen, findet die Nebennierenrinde keine Zeit mehr das Hormon zu produzieren.
Glücklicherweise gibt es inzwischen genügend Medikamente, die einen zu niedrigen Cortisolwert ausgleichen können.
Zu hoher Cortisolwert: Symptome und Ursachen
Der häufigste Grund für zu hohe Cortisolwerte ist natürlich Stress. Aber auch, wenn wir unterzuckert sind, steigen die Werte, da unser Körper versucht mithilfe des Hormons aus Fett und Eiweiß Zucker zu gewinnen. Zu viel des Stresshormons macht sich folgendermaßen bemerkbar:
- Schlafstörungen
- Erhöhter Blutdruck
- Gewichtszunahme durch Wassereinlagerungen
- Diabetes
- Osteoporose
- Depressionen und Angstzustände
- Wundheilungsstörungen
Obwohl Cortisol in begrenztem Maße entzündungshemmend ist, kann es bei zu hoher Konzentration zu Störungen der entzündungshemmenden Wirkung kommen. Dann tritt das genaue Gegenteil auf und Wunden heilen schlechter ab. Zu einer erhöhten Produktion kann es kommen, wenn ein Tumor in der Nebennierenrinde auftritt. Auch Adipositas und Alkoholismus können eine erhöhte Produktion des Stresshormons auslösen.
Selten, aber nicht minder ernst, ist ein Tumor in der Hirnanhangdrüse. Sie produziert das adrenocorticotrope Hormon (ACTH), welches die Herstellung von Cortisol anregt. Bei einem Tumor kann es passieren, dass zu viel ACTH produziert wird, was wiederum zu einer erhöhten Ausschüttung von Cortisol führt.
Cortisol und unser Immunsystem
Leider stimmt es, dass zu viel Stress im Alltag unser Immunsystem schwächt. Zu hohe Cortisolwerte wirken dämpfend auf unser Immunsystem, weshalb das Stresshormon in der Medizin auch häufig genutzt wird, um beispielsweise nach Operationen Entzündungen zu hemmen.
Auch deshalb ist es wichtig, dass die Cortisolwerte dauerhaft in einem normalen Bereich sind. Am besten ist es für das Immunsystem natürlich, wenn du keinem Stress ausgesetzt bist. Da dies aber sehr unwahrscheinlich ist, solltest du effektive Methoden entwickeln, mit denen du deinen Stress im Alltag senken kannst. Wie das geht, erklären wir dir im folgenden Absatz.
Wie kann ich den Cortisolspiegel senken?
Natürlich gibt es auch hier Medikamente, die den Cortisolspiegel senken können, allerdings kannst du auch selbst einiges tun, um den Wert zu senken. Zumindest, wenn keine Erkrankung vorliegen sollte. Du kannst:
- versuchen, deinen Stress zu senken
Das ist leichter gesagt als getan. Allerdings gibt es einige Tipps, wie du den Stress aus deinem Kopf verbannen kannst. Mehr dazu findest du in unserem Artikel „Stress abbauen: Warum es für gesunden Schlaf so wichtig ist“ und in unserem Artikel über Schlafhygiene. - dich gesund ernähren
Eine ausgewogene Ernährung tut deinem Körper gut. Vor allem Alkohol und Koffein sind echte Cortisol-Antreiber. Aber auch zu viel Süßes und Weißmehlprodukte wie Toastbrot erhöhen den Blutzuckerspiegel und damit auch das Stresshormon. - bewusst Entspannung suchen
Nimm dir mehr Zeit für dich um den Hormonspiegel zu senken. Gönnen dir im regelmäßigen Rhythmus eine entspannende Massage oder treibe Yoga oder Meditation. Das beruhigt und entspannt den Körper und senkt das Stresslevel. - ausreichend schlafen
Der Trick funktioniert natürlich nur, wenn du keine Schlafprobleme durch zu viel Stress hast. Erholsamer Schlaf verbessert die Ausschüttung des Schlafhormons und hält gleichzeitig den Cortisolspiegel im Gleichgewicht und hilft ihn zu senken. - viel bewegen
Sport ist – wie so oft – der beste Weg, den Cortisolwert zu senken. Sport ist nicht nur gut für die Gesundheit. Es senkt das Stresslevel und den Blutdruck und beugt Übergewicht vor. Alle Punkte gehören zu den Hauptursachen für einen zu hohen Cortisolspiegel. Doch Vorsicht: Zu viel Sport kann das Gegenteil bewirken. Wem Sport zu anstrengend ist oder wer keine Zeit findet, tut sich schon mit einem abendlichen Spaziergang einen Gefallen. So oder so ist Bewegung eine gute Möglichkeit einem hohen Cortisolwert entgegenzuwirken und das Stresslevel zu reduzieren.
Stress in der Schwangerschaft
Ein dauerhaft erhöhter Cortisol-Wert kann in der Schwangerschaft auch die Gesundheit des Ungeborenen gefährden. Zu viel Cortisol kann die Planzentaschranke passieren, was bedeutet, dass den Stress der Mutter auch das Baby miterlebt. Keine Sorge, Stress gehört zum Leben und etwas Stress schadet keinem Baby. Dauerhafter Stress kann allerdings negative Folgen auf das Gehirn des Ungeborenen haben, weshalb du versuchen solltest, dein Stress im Alltag zu senken und niedrig zu halten.
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Kinder, die in der Schwangerschaft übermäßig häufig unter Stress standen, später schwerer zu beruhigen waren. Zudem litten sie unter Einschränkungen der kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung. Mehr als im normalen Alltag gilt deswegen in der Schwangerschaft: Füße hochlegen und entspannen.
Interview mit Schlafmedizinerin Dr. Kathrin Frank
Dr. Kathrin Frank ist Fachärztin für Innere Medizin, Schlafmedizin Endokrinologie, Diabetologie DDG und Leiterin des Schlaflabors in Karlsruhe.
MeinSchlaf: Frau Doktor Frank, wie wichtig ist Cortisol für unseren Schlaf (wenn überhaupt)?
Doktor Frank: Schlaf wird multifaktoriell reguliert. Grundsätzlich gibt es mehr Faktoren, die den Wachzustand fördern als schlaffördernde Substanzen. An der Steuerung der Schlafregulation sind viele Stoffe beteiligt, besonders die Neuropeptide. Zu den Neuropeptiden zählen zum Beispiel Adrenalin, Melatonin, Histamin oder Serotonin. Neuropeptide sind Peptide, die als Botenstoffe von Nervenzellen freigesetzt werden und als Hormone über das Blut die Zielzellen erreichen. Am bekanntesten dürfte hier das Melatonin sein.
Während der Nachtzeit steigt beim Menschen der Blutspiegel des Melatonins deutlich an. Das Hormon wird in der Zirbeldrüse gebildet, die über Nervenbahnen mit dem Auge verbunden ist. Während tagsüber Lichtreize die Produktion von Melatonin hemmen, kommt es nachts zu einem Anstieg des Hormons. Ähnlich verhält sich auch das Prolaktin. Der Cortisolspiegel wiederum ist am Abend bzw. zu Beginn der Nacht niedrig. Erst mit zunehmender Schlafdauer und abnehmendem Tiefschlafanteil (in der Regel gegen Morgen) nimmt die Cortisolkonzentration wieder zu und erreicht dabei in den Morgenstunden den Höhepunkt.
„Eine Schlüsselrolle bei der Schlafregulation spielen neben Cortisol auch Wachstumshormone.“
Eine Schlüsselrolle bei der Schlafregulation spielen neben Cortisol auch Wachstumshormone. Wachstumshormone sind schlaffördernd, dieses Hormonsystem ist also eher in der ersten Nachthälfte aktiv. Bei Patient/innen mit Schlafstörungen können erhöhte nächtliche Cortisolspiegel beobachtet werden, ebenso bei Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen.
Im klinischen Alltag spielt allerdings bei Patient/innen mit Schlaflosigkeit die Bestimmung des Cortisolspiegels in der Regel trotzdem keine Rolle. Die Schlafregulation ist so komplex, dass einzelne Effekte kaum voneinander getrennt werden können. Als Basisdiagnostik bei Schlaflosigkeit sollte allerdings immer die Schilddrüsenfunktion geprüft werden. Krankhafte Störungen des Kortisolstoffwechsels oder andere hormonell bedingte Erkrankungen können zwar häufig mit Schlafstörungen einhergehen, verursachen aber in der Regel dabei auch immer andere krankhaften Symptome.
MeinSchlaf: Was kann man tun, wenn man nachts aufwacht, sich betrübt fühlt und nicht mehr einschlafen kann?
Doktor Frank: Wenn Sie merken, dass Sie nicht mehr einschlafen können, sollten Sie aus dem Bett aufstehen. Negative Gedanken (Gedankenkreisen, Grübeln, Problemewälzen, Kopfkino) im Bett sollten Sie unbedingt vermeiden. Suchen Sie sich eine Ecke in der Wohnung, wo Sie diese Probleme „ablegen“ können (sogenannte „Grübelecke“). Es kann auch hilfreich sein, die Probleme auf ein Blatt Papier zu notieren und bewusst wegzuschieben: „Das kann ich heute Nacht nicht klären, ich kümmere mich morgen darum“.
Und am nächsten Morgen ist das Problem der Nacht dann oft gar nicht mehr so groß und unüberwindbar, denn „nachts sind alle Katzen grau“. Ins Bett sollten Sie sich erst wieder legen, wenn Sie müde sind. Sinnvoll ist hier immer ein Einschlafritual, das Sie beim ersten Zubettgehen anwenden und dann auch beim nächsten Einschlafen wieder nutzen sollten.
„Stressreduktion ist daher ein wichtiges Thema, um einen guten und erholsamen Schlaf zu fördern.“
MeinSchlaf: Gibt es Tipps, mit denen man den Cortisol-Spiegel beeinflussen kann?
Doktor Frank: Als Stresshormon wird Cortisol vermehrt in Stresssituationen ausgeschüttet, um uns leistungsfähiger zu machen. Ist der Stress bzw. die Belastung nicht akut, sondern wird zum Dauerzustand, beeinträchtigt das natürlich nicht nur das allgemeine Wohlbefinden, sondern häufig auch den Schlaf. Stressreduktion ist daher ein wichtiges Thema, um einen guten und erholsamen Schlaf zu fördern. Gute und wichtige allgemeine Maßnahmen sind hier viel Bewegung, auch an der frischen Luft, bewusste Pausen und Entspannung einbauen, gesunde Ernährung. Die permanente Erreichbarkeit durch Smartphone und Co. wirken sich dabei in der Regel eher negativ aus.
MeinSchlaf: Vielen Dank für das Interview.
Du möchtest noch mehr rund um das Thema Schlaf erfahren? Dann folge uns auf Instagram, Facebook und Pinterest.
Dr. Kathrin Frank ist Fachärztin für Innere Medizin, Schlafmedizin Endokrinologie, Diabetologie DDG und Leiterin des Schlaflabors in Karlsruhe (www.schlaflabor-durlach.de).
Das wird dich auch interessieren:
Quellen:
DGPM e.V.: Herz und Psyche: Die Rolle des Stresshormons Cortisol.
Max-Planck-Institut für Psychiatrie: Körper und Psyche: Zwei Seiten einer Medaille.
Gesundheitsinformation Was ist eine Entzündung?
Neurologen und Psychiater im Netz: Chronischer Stress schwächt das Immunsystem.